Anti-Aggressivitäts-Training (AAT)
„Den Menschen mögen und verstehen…aber mit seinem kriminellen Handeln nicht einverstanden sein“
Grundsätzliches/Voraussetzungen
Das Anti-Aggressivitätstraining ist eine deliktspezifische, sozialpädagogische Maßnahme für gewalttätige, aggressive Wiederholungstäter. Die Maßnahme wird durch den Richter angeordnet und zumeist als Alternative zu Dauerarrest und Jugendstrafe ausgewählt.
Das Anti-Aggressivitätstraining läuft über eine Zeitspanne von acht Monaten.
Gesetzliche Grundlage
Der Antiaggressivitätskurs findet seine gesetzliche Grundlage in § 10 des Jugendgerichtsgesetzes und in § 29 des Kinder und - Jugendhilfegesetzes.
Zielgruppe
Das Training richtet sich an straffällig gewordene Jugendliche und junge Erwachsene. Es ist auch möglich, nach dem Kinder-und Jugendhilfegesetz, auf freiwilliger Basis, an einem Training teilzunehmen.
Rahmenbedingungen
Das Training erstreckt sich über acht Monate und kann eine Gruppengröße von ca. zehn Teilnehmern erreichen. Jedes Training wird von zwei Fachkräften betreut und begleitet. Die Teilnehmer verpflichten sich vor dem Training weder Alkohol noch Drogen zu konsumieren. Eine Abweichung von diesen Regeln führt zum Ausschluss.
Das Training enthält folgende Elemente:
- Ein Aufnahmegespräch zur Klärung von Motivation und Eignung
- mind. drei Einzelgespräche
- ca. 24 Gruppeneinheiten zwischen 2 und 3 Zeitstunden
Zu Beginn der Maßnahme sind ausführliche Vorinformationen z.B. von Seiten des zuständigen Sacharbeiters des Jugendamtes zur Klärung der Eignung des Jugendlichen notwendig. So können akut Suchtmittelabhängige und akut psychisch Kranke nicht an dem Kurs teilnehmen. Auch Gewalttäter, die ihr Verhalten instrumentalisiert haben, sind in den meisten Fällen mit dieser Maßnahme nicht zu erreichen.
Ablauf des Anti-Aggressivitäts-Trainings
Das Anti-Aggressivitäts-Training gliedert sich in vier Phasen, die sich wie folgt unterscheiden:
Die Integrationsphase:
In der ersten Phase steht zunächst die Information über die Inhalte des Anti- Aggressivitäts-Trainings und die Vorstellung der einzelnen Teilnehmer im Mittelpunkt. Im späteren Verlauf der ersten Phase steht die Entwicklung von Gruppendynamik im Vordergrund.
Die Vorbereitungsphase zur Konfrontation:
Die zweite Phase dient als Konfrontationstest. Parallel wird das Vertrauen der Kursteilnehmer gestärkt
Die Konfrontationsphase – der heiße Stuhl:
Auf dem heißen Stuhl werden die Kursteilnehmer mit ihren Gewaltrechtfertigungen und ihrem aktuellen Verhalten konfrontiert. Ebenfalls werden bei allen Teilnehmern Täter- / Opferkommunikation und Provokationstests durchgeführt.
Die Gewaltverringerungsphase:
Die vierte Phase wird zur Deeskalation und Erhöhung der Provokationsschwelle genutzt. Veränderungen über die Tatschuld werden klargelegt und Eigen- und Fremdwahrheiten werden reflektiert. Außerdem dient die vierte Phase der Zukunftsorientierung und des Abschiedes.
Inhalte und Ziele
Ich kann mich ändern
Das Anti-Aggressivitäts-Training basiert auf einem lerntheoretisch-kognitiven Ansatz, der besagt, dass Verhalten neu erlernt werden kann.
Basierend auf theoretischen und praktischen Erfahrungen, sowie Erkenntnissen und praktischen Ableitungen u. a. aus Aggressions- und Gewalttheorien wurde ein Training zur Reduzierung und zum Abbau der Gewaltbereitschaft entwickelt. Ein zentraler, methodischer Schwerpunkt ist der heiße Stuhl, in dem die Teilnehmer gewollt provoziert und mit den Folgen der Tat, ihren Rechtfertigungen, Tatverharmlosungen, sowie Widersprüchen und Schwächen konfrontiert werden. Die Teilnehmer sollen sich ihren persönlichen Aggressivitätsauslösern sowie ihren jeweiligen Strategien zur Rechtfertigung der Gewalt bewusst werden. Sie sollen lernen mit Provokation umzugehen um ruhiger und überlegter auf diese reagieren zu können. In Rollenspielen soll z.B. gelernt werden, Beschimpfungen ruhig und sachlich zurückzuweisen und nicht mit eigenen Beschimpfungen oder Gewalttaten zu reagieren. Ihnen wird das Opferleid deutlich gemacht, wodurch Schuldgefühle geweckt werden sollen.
Ein weiterer Schwerpunkt stellt der Besuch der Justizvollzugsanstalt in Geldern dar. Dort treffen Teilnehmer des AATs auf Langzeitgefangene. Im Vordergrund steht hierbei aber nicht der Gedanke der Abschreckung („Wie schlimm ist der Knast“). Vielmehr zeigen die Häftlinge den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Parallelen ihres eigenen strafbaren Handelns in konfrontativer Weise auf.
Im AAT-Kurs geht es darum, den Jugendlichen und Heranwachsenden zu vermitteln, mit Konflikten und Aggressionen konstruktiv umzugehen und die begangenen Gewalttaten aufzuarbeiten.
Das wohl wichtigste Ziel für die Teilnehmer des Anti-Aggressivitäts-Trainings, ist ein Leben ohne Gewalt zu führen und damit keine weiteren Opfer mehr zu produzieren.
Ziele des Anti-Aggressivitäts-Trainings
- Erweiterung der Handlungskompetenz der Teilnehmer
- Erlernen alternativer Möglichkeiten zur Lösung von Konfliktsituationen
- Erfahrbarmachung der Ursachen und Auslöser von Gewalt
- Auseinandersetzung und Reflexion begangener Körperverletzungen
- Erarbeitung und Einübung von veränderten Verhaltensstrategien
- Aufzeigen von Tatkonsequenzen
- Betrachtung der Opferperspektiven
Problemlagen
Hier geht es im speziellen um:
- Personen, die sich häufig schlagen und scheinbar Spaß daran haben
- Personen, die Gewalt als Lösung von Problemen ansehen
- Personen, die gezielt Macht über andere ausüben
- Personen, die leicht reizbar sind.
Methoden
„Gewalttätige Wiederholungstäter beschreiben sich als durchsetzungsstark, dominant, selbstbewusst, die Einschüchterung, Bedrohung und Angstmachen gezielt einsetzen können. Sie genießen es, wenn Passanten die Straßenseite wechseln. Sie fühlen sich zwischen Rambo und Versager und das macht sie unberechenbar.“ (aus Jens Weidner,: Die andere Meinung –Tatkonfrontation 1993)
Inhaltlich orientiert sich das Anti–Aggressivitäts-Training ®, an dem von Jens Weidner entwickelten Anti–Aggressivitäts-Training®. (vgl. Weidner, J. Anti-Aggressivitäts-Training für Gewalttäter, Bonn 1993)
Es basiert auf der Grundlage:
Akzeptanz + Konfrontation = soziale Entwicklung
Die Gesprächsführung in den Sitzungen ist stark konfrontativ und provokativ orientiert (konfrontative Pädagogik). Sie wird u.a. durch einfühlsamere Einzelgespräche ergänzt.